Neue Ausgabe der Zeitschrift „Lebendige Vielfalt im Westerzgebirge“ 01/2024

Foto: Matthias Scheffler

Liebe Leserinnen und Leser,
kann man den Lebensraum, dem wir uns in diesem Heft wid-
men wollen, besser und treffender beschreiben als der leider ein
wenig in Vergessenheit geratene österreichische Schriftsteller
Josef Leitgeb? Eigentlich nicht. Eigentlich könnte man dieses
Heft jetzt zur Seite legen, weil viele der wesentlichen Merkma-
le der Streuobstwiesen und Baumgärten schon auf den Punkt
gebracht wurden: Der ungeheure Reichtum an Tieren, der für
Alt und Jung zu staunenswerten Entdeckungsreisen in eine Welt
der Wunder einlädt. Die Vielfalt an Früchten, die sie für Mensch
und Tier bereithalten. Und nicht zuletzt die außerordentliche
Schönheit und der Abwechslungsreichtum, die sich über das
Jahr und die Jahre hinweg zeigen.
Aber ganz so einfach ist es am Ende doch nicht, denn die Zei-
ten, in denen diese Zeilen entstanden sind, sind lange vorbei.
Sie stammen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, einer Zeit,
als der Streuobstbau in seiner Blüte stand, sich aber auch die
ersten Risse im Gebälk zeigten, der allmähliche Niedergang sei-
nen Anfang nahm und bis heute anhält. Die Idylle, die uns diese
Zeilen malen, trügt ein wenig, ist eben nur die eine Seite der
Medaille. Denn wenig ist so geblieben, wie es damals war.
Von diesen Veränderungen wollen wir Ihnen in diesem Heft er-
zählen und natürlich auch von den heutigen Gegebenheiten, die
über das weitere Schicksal, das Wohl und Wehe dieser einzig-
artigen Lebensräume maßgeblich mitbestimmen, immer auch
mit Bezug zu unserer Region. Und wir möchten Sie begeistern
für diesen so vielfältigen, artenreichen und besonders schönen
und attraktiven Lebensraum, der er zu Leitgebs Zeiten war und
natürlich auch heute noch ist. Sie erfahren einiges über die er-
staunliche Mannigfaltigkeit der Tiere und Pflanzen, die dort
ihre Heimat gefunden haben. Ebenso wie über die Vielfalt an
Obstarten und Obstsorten, die sich dort finden lassen und die
es zu erhalten lohnt, weil sie gesunde, naturnah und regional er-
zeugte Lebensmittel liefern, die eine breite Geschmacksvielfalt
im Gepäck haben. Sei es nun in Form der Baumfrüchte und der
Köstlichkeiten, die sich aus ihnen zaubern lassen. Oder sei es
als Honig, der über den Umweg der Honigbienen auf unseren
Frühstückstischen landet. Apropos Honig, auch mit den engen
Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Streuobst-
wiesen und Honigbienen, Wildbienen und anderen Insekten in
unseren Landschaften werden wir uns beschäftigen
Au0erdem möchten wir die Hintergründe, Bedingungen und Er-
fordernisse darstellen, die für einen erfolgreichen und langfris-
tigen Erhalt dieser Lebensräume eine Rolle spielen. Dabei wird
immer wieder durchschimmern, dass wir neben dem hohen
ökologischen Wert und den Naturschutzaspekten den Zweck,
den unsere Vorfahren mit der Pflanzung von Obstbäumen ver-
folgten, nämlich ihre Nutzung für die eigene Ernährung, besser
nicht aus dem Auge verlieren sollten, wenn uns diese wunder-
baren Lebensräume und Orte der Ruhe und Erholung weiter
erhalten bleiben und Freude bereiten sollen. Bei Kulturlebens-
räumen wie den Wiesen und Gärten mit hochstämmigen Obst-
bäumen ist eine extensive und nachhaltige Nutzung zumeist der
beste Garant für deren langfristigen Erhalt. Und es muss ja auch
nicht immer eine riesige Streuobstwiese sein, auch ein oder ei-
nige hochstämmige Obstbäume im Haus- oder Schrebergarten
schaffen attraktiven Lebens- und Erholungsraum für Tier und
Mensch und sorgen für eine gesunde und schmackhafte Ernäh-
rung. Der einfachste Weg, sich das Paradies auf Erden zu holen!

Karolin Prott, Constanze Schwabe
Landschaftspflegeverband Westerzgebirge e.V.
Matthias Scheffler
NABU Aue-Schwarzenberg e.V.