Wiesenbrüter

Es war einmal? - Das Dilemma mit den Wiesenbrütern

Der bedenkliche Rückgang der Vögel im Offenland ist bekannt und auch an unserer Region geht dieser Negativtrend nicht vorüber. Einstige Allerweltsarten wie das Rebhuhn sind bei uns schon vor zwei Jahrzehnten ausgestorben. Weitere Arten sind nicht weit davon entfernt. Besondere Sorgenkinder sind derzeit die Wiesenbrüter, die nur noch extrem selten zu beobachten sind.

Die Feldlerche schlägt sich noch am besten in unserer Feldflur und ihr Gesang ist noch an vergleichsweise vielen Stellen in der Region zu vernehmen, aber nicht mehr überall. Die Bestände sind rückläufig und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in einigen Jahren um ihr Überleben bangen müssen wie heute bei Braunkehlchen und Wiesenpieper.

Zum Schutz der Bekassine gibt es gesonderte Ausführungen, auch in der Rubrik Artenschutz.
Der Wachtelkönig ist ein spezieller Fall, der häufig seine Vorkommensgebiete wechselt. Mal hier, mal da schreit und immer wieder für Überraschungen gut ist. Für seinen ist besonders eine späte Mahd erforderlich. Um seinen Schutz und eine Bestandsübersicht bemüht man sich im Rahmen eines Wiesenbrüterschutzprojektes, das vom Landratsamt des Erzgebirgskreises durchgeführt wird, das sich auch den Schutz von Bekassine, Braunkehlchen und Wiesenpieper bemüht.
Hier soll es jetzt um unsere Bemühungen zum Schutz von Braunkehlchen und Wiesenpieper gehen, vor wenigen Jahren auch in unserer Region noch Allerweltsarten, wie folgendes Zitat des Annaberger Ornithologen Heinz Holupirek belegt:

„Das Braunkehlchen gehört zu den wenigen Vogelarten des Beobachtungsgebietes, die mit fortschreitendem Emporsteigen ins Gebirge keinen quantitativen Rückgang zu verzeichnen haben. Es teilt seine Aufenthaltsorte mit dem Wiesenpieper. Darüber hinaus bewohnt es auch trockenere Wiesen und Weideland, wenn dort Sitzwarten (Doldenblütler, Disteln, Weidepfähle) vorhanden sind, von den Talwiesen bis hinauf zu den Borstgrasmatten der höheren Berge und bis ins Moor von Bozi Dar (Gottesgab – 1050 m über NN) nach GRUMMT (1957). Dieser sah auch am Fichtelberg fütternde Altvögel noch in 1150 m über NN. Für die dortigen Bergwiesen nennt VOIGT (1917) das Braunkehlchen ‚den gewöhnlichsten Singvogel nach dem Wiesenpieper‘. …
Eine Zunahme könnte infolge der beabsichtigten Verstärkung des Weidebetriebes in unseren Gebirgslagen zu erwarten sein.“
Heinz Holupirek, „Die Vögel des hohen Westerzgebirges“, in „Beiträge zur Vogelkunde Band 15 1969“

Mit seiner Prognose hatte er leider nicht recht. Aber es war wohl damals schon bekannt, dass Beweidung, allerdings nur eine extensive Beweidung, förderlich für Wiesenbrüter sein kann. Dies zeigt ein Blick auf den Kamm des böhmischen Erzgebirges, wo man sich hinsichtlich Wiesenbrütervorkommen plötzlich wie im Paradies oder in längst vergangenen Zeiten wähnt. Dort spielen großflächige extensive Weidesysteme eine wesentliche Rolle.

Dies galt bis vor Kurzem auch noch für Carlsfeld. Dort sind allerdings trotz fortlaufender positiv zu bewertender Schutzmaßnahmen ein gewisser Rückgang der Beweidung und Tendenzen zur Intensivierung der Bewirtschaftung nicht zu verkennen. Aus Sicht des Bewirtschafters durchaus verständlich und auch aus botanischer Sicht eher positiv zu sehen, wird dies vermutlich zu einem weiteren Rückgang der Populationen der Wiesenbrüter führen. Carlsfeld ist derzeit noch das einzige aktuelle Vorkommen von Wiesenpieper und Braunkehlchen im Westerzgebirge. Ob das Braunkehlchen aktuell überhaupt noch zur Brut schreitet, muss leider stark bezweifelt werden. 

Durch den Landschaftspflegeverband wurden in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen im Westerzgebirge – beispielsweise in Breitenbrunn, Carlsfeld, Johanngeorgenstadt, Sosa, Schönheide und Zschorlau – Hilfsmaßnahmen für die stark bedrohten Wiesenbrüter Braunkehlchen und Wiesenpieper eingeleitet. Dazu wurden in geeigneten Flächen Sitzwartenfelder mit Bambusstäben ausgebracht. Erfahrungen aus verschiedenen Regionen zeigen, dass sich diese sogenannte „Überreizmethode“ positiv auf die Ansiedlung von Wiesenbrütern auswirken kann. Einen besonderen Schwerpunkt bilden auch die Flächen auf dem ehemaligen Standortübungsplatz bei Wolfgangmaßen, wo in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und den die Flächen bewirtschaftenden Landwirten mehrere solcher Flächen eingerichtet wurden.

Eng verbunden damit ist die Etablierung von Bracheflächen. Landwirte haben seit dem Jahr 2018 die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen 10 Prozent bestimmter Wiesenflächen als Brache über das Jahr und auch über den Winter stehen zu lassen, ohne finanzielle Verluste oder Sanktionen befürchten zu müssen. Diese Möglichkeit wurde vom Freistaat Sachsen extra neu geschaffen, um den Insekten und Vögeln unter die Arme zu greifen. Solche Flächen sind eine sehr gute Schutzmöglichkeit, weil sie neben der Verbesserung der Nahrungsbasis auch zu Strukturen in der Landschaft beitragen, welche die genannten Arten bei ihrer Rückkehr aus dem Süden im Frühjahr unbedingt vorfinden müssen, damit eine Ansiedlung überhaupt in Frage kommt. Besonders in Kombination mit den Sitzwartenfeldern führt dies zu einer Verbesserung der Ansiedlungsmöglichkeiten.

Diesem Zweck dient auch die Pflege und das Zurückschneiden von Hecken in (potenziellen) Wiesenbrüter-Vorkommensgebieten. Insbesondere das Braunkehlchen hält einen gewissen Abstand zu hohen Gehölzbeständen, also zu Wäldern oder zu Baumhecken. 

Die Wiesenbrüter sind ein trauriges Symbol für die Auswirkungen der grundsätzlichen Umwälzungen in unserer Feldflur in den letzten Jahrzehnten. Deren Überleben hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingen wird, zumindest einen Teil der landwirtschaftlich genutzten Flächen weiter naturverträglich zu nutzen bzw. auf weiteren Flächen eine solche Nutzung zu etablieren. Ob unsere Schutzbemühungen erfolgreich sein werden, das werden die nächsten Jahre zeigen. Im Grunde genommen hängt ja das Schicksal der Wiesenbrüter, wie das der ganzen Armada der Feldvögel, weniger stark von den Schutzbemühungen vor Ort, sondern maßgeblich und entscheidend von den Förderbedingungen und -programmen ab, die in Brüssel, Berlin und Dresden gestrickt werden. Wenn wir in den nächsten Jahren die Landnutzung weiter intensivieren, unsere Landschaften weiter mit Pestiziden und einem Übermaß an Dünger vergiften und immer ärmer an Leben machen, dann werden wir viele weitere Arten wie das wunderbare Braunkehlchen verlieren.

Braunkehlchen

Welch trauriger Mai,
wenn über nickenden Blumenköpfen,
silbrigen Weidentrieben
oder verwitternden Wiesenpflöcken
Dein hellsprödes, eigentümliches Singen
nicht mehr erklingt.

Bliebe Dein Lieblingsplatz
an der kleinen Erle verwaist,
fehlten mir Deine bunten Tupfen sosehr,
daß ehemals leuchtende,
mir Erneuerung versprechende Frühlingswiesen
zu einfältigen Wiesenäckern
verkümmern.

 Hans Uhl

Braunkhlchen, Foto: Jan Gläßer